Pigmente

Pigmente (lateinisch pigmentum für „Farbe“, „Schminke“) sind farbgebende Substanzen, die technisch verwendet werden. Im Gegensatz zu Farbstoffen sind Pigmente jedoch im Anwendungsmedium unlöslich. Anwendungsmedium bezeichnet dabei den Stoff, in den das Pigment eingearbeitet wird, beispielsweise einen Lack oder einen Kunststoff. Farbstoffe und Pigmente gehören gemeinsam zu den Farbmitteln und können anorganisch oder organisch, bunt oder unbunt sein.[1]. In der Biologie bezeichnet der Begriff Pigment alle in einem lebenden Organismus farbgebenden Substanzen. Technisch gesehen handelt es sich hierbei um Farbmittel.

Maßgeblich für die Eigenschaften der Pigmente sind neben der chemischen Struktur an sich auch Festkörpereigenschaften, wie die Kristallstruktur, die Kristallmodifikation, die Teilchengröße und die Teilchengrößenverteilung, also die spezifische Oberfläche. Der Farbreiz selbst entsteht durch Absorption und Remission (Streuung und/oder Reflexion) bestimmter Frequenzanteile des sichtbaren Lichts.

Pigmente werden beispielsweise in Lacken, Dispersionsfarben, Druckfarben (im Drei- oder Vierfarbendruck auf Papier), als Streichpigment (Weißpigmente) und Füllstoff bei der Herstellung und Veredelung von Papier, bei der Einfärbung von Kunststoffen, in Künstlerfarben und Buntstiften, beim Drucken auf Textilien und in Spezialanwendungen wie Kosmetika oder Kerzen verwendet.

Bismutvanadat, Urheber: FK1954


Geschichte

Belege für die Verwendung von Erdfarben reichen bis weit in die Prähistorie zurück. In der Fels- und Höhlenmalerei sind Erdfarben nachgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass sie seit der Frühzeit der Menschheit der Körperbemalung dienten. Ockergelbe, weiße und rostrote bis braune Farbtonabstufungen sind als natürliche Vorkommen häufiger anzutreffen. Seltener kommen grünliche Erden vor, ebenso rar sind als Pigment geeignete schwarze Mineralien. Dennoch konnte der prähistorischen Maler seine Farbpalette leicht mit schwarzer Holz- oder Knochenkohle oder ziegelrot gebrannten Ocker erweitern.

Solche aus dem Lagerfeuer hervorgehenden Produkte können bereits den künstlichen Pigmenten zugeordnet werden, obwohl Ocker und Holzkohle durch natürliche Feuer ebenso entstehen können. Unter solchen Umständen hat die in maltechnischer Tradition stehende schematische Gruppierung in natürliche und künstliche Pigmente unter geschichtlichen Aspekten wenig Sinn. Die Geschichte der Herstellung und Verwendung von Pigmenten ist deshalb im Einzelnen zu betrachten. Erschwerend ist dabei die Bestimmung der Pigmente anhand überlieferter Namen.

Unlösliche Pigmente wurden schon in der Frühzeit der Menschheit für verschiedene Anlässe und Einsatzgebiete, wie z.B. Körperbemalung, Höhlenmalerei und Keramikdekor, verwendet. Wichtige anorganische Farbmittel der Frühzeit waren ein mit Hämatit (ein rotes Eisenoxid) gefärbter Ton (Rötel), Ocker (ein gelbes Eisenoxid) und Braunsteine. Eine der seit Urzeiten verwendeten Farben ist Weiß und eines der ältesten Weißpigmente ist das Calciumoxid (CaO), welches durch Brennen aus Kalkstein gewonnen wird, siehe Kalkfarbe.

In der Malerei war lange Zeit das Bleiweiß (Pb(OH)2 · 2 PbCO3) das einzig verfügbare weiße Pigment, bis dieses schließlich Anfang des 19. Jahrhunderts durch das Zinkweiß (ZnO) ersetzt wurde, welches wegen seiner geringeren Toxizität dem Bleiweiß vorgezogen wurde. Heute wird fast ausschließlich das erst im 20. Jahrhundert entwickelte Titanweiß (TiO2) verwendet. Weiße lösliche Farbstoffe sind jedoch physikalisch unmöglich.

Eine der teuersten Farben war bis zum 18. Jahrhundert das Blau, für das es zum damaligen Zeitpunkt neben den synthetisch hergestellten Smaltepigmenten nur den Halbedelstein Lapislazuli als Rohstoff gab, der nach einem arbeitsintensiven Prozess dann das Ultramarin ergibt.

Das erste industriell hergestellte anorganische Pigment war Berliner Blau im Jahr 1704. Das erste organische Pigment, Pararot, heute C.I. Pigment Red 1, ein Azopigment der β-Naphthol-Gruppe folgte im Jahr 1885.[2] Kupferphthalocyanin folgte 1935 und Chinacridon 1955. Die im Jahre 1986 entdeckte chemische Gruppe Diketo-Pyrrolo-Pyrrol war der letzte Pigmenttyp, der nennenswerte Marktanteile gewinnen konnte.

Heute werden Pigmente in vielen Branchen eingesetzt: Farben, Lacke, Druckfarben und Kunststoffe, aber auch Kosmetik, Papier, Baumaterialien, Keramik und Glas. In der Textilindustrie werden lösliche Farbstoffe zunehmend durch Pigmente, dort als Dispersionsfarbstoffe bezeichnet, ersetzt. Im Jahr 2006 erreichte der weltweite Markt für anorganische, organische und Spezialpigmente ein Volumen von rund 7,4 Millionen Tonnen. Den mengenmäßig größten Anteil hat Asien vor Europa und Nordamerika. Dabei wurde ein Umsatz von rund 17,6 Milliarden US-Dollar (etwa 13 Milliarden Euro) erzielt.[3] Im Jahr 2009 wurden weltweit Pigmente für rund 20,5 Milliarden US-Dollar verkauft, ca. 1,5 - 2% Wachstum vom letzten Jahr. Der Umsatz wird rund 24,5 Milliarden US Dollar in 2010 und rund 27,5 Milliarden in 2018 erreichen.[4]


Verarbeitung

Pigmente entstehen typischerweise in Form der Primärteilchen. Die Primärteilchen können über ihre Flächen zu Aggregaten zusammenwachsen. Von Agglomeraten spricht man, wenn Primärteilchen und/oder Aggregate über ihre Ecken/Kanten verbunden sind. Durch den Dispergierprozess (Dispergierung) beim Einarbeiten der Pigmente in ein Anwendungsmedium werden die Pigment-Agglomerate zerkleinert. Es entstehen kleinere Agglomerate, Aggregate und Primärteilchen. Diese werden, so vorhanden, durch ein Dispergiermedium benetzt. Dabei werden sie idealerweise statistisch über das Anwendungsmedium verteilt.

In fester Form kann das Pigment pur eingesetzt werden (Primärpigment), als festes Gemisch zweier oder mehrerer Pigmente oder als Gemisch mit einem oder mehreren Füllstoffen. Durch die Mischung mit Füllstoffen wird die Farbstärke reduziert, wodurch geringe Einsatzmengen besser dosiert werden können. Diese Möglichkeit findet bei Pulverlacken Verwendung. Durch räumliche Nähe wirken primäre Pigmente intensiver (Simultankontrast).

Bei flüssigen Lacken werden häufig Pigmentpräparationen eingesetzt, die entweder Bindemittel enthalten können oder bindemittelfrei sind. Diese Pigmentpräparationen sind prinzipiell ähnlich formuliert wie der Lack selbst, enthalten also Pigment, Additive, Lösemittel oder Wasser und je nach Formulierung Bindemittel. Der Vorteil von Pigmentpräparationen ist die unkomplizierte und exakte Einarbeitung, da das Pigment bereits dispergiert und standardisiert vorliegt und somit Lack und Pigmentpräparation nur noch gemischt werden müssen. Nachteilig kann sich die Additivierung auswirken, da die Pigmentpräparation unter Umständen nicht mehr mit allen Lacksystemen kompatibel ist. Aus diesem Grund ist die Verträglichkeit eine wichtige anwendungstechnische Eigenschaft von Pigmentpräparationen. Als Tönsystem (englisch Tinting system) wird die Kombination aus mehreren (meist 12 - 20) Pigmentpräparationen, einer automatischen Dosieranlage und einer Rezeptiersoftware bezeichnet. Diese Methode findet bei Bautenfarben Verwendung. Pigmentpräparationen können ebenfalls als Mischung mit anderen Pigmenten oder Füllstoffen vorliegen. Neben den häufig eingesetzten flüssigen Pigmentpräparationen sind aber auch granulierte, mit leicht löslichen Bindemitteln hergestellte Präparationen erhältlich. Sie werden z. B. eingesetzt, wenn in der Lackformulierung zusätzliche Lösemittel unerwünscht sind, haben aber gegenüber Pigmentpulvern den Vorteil, nicht mehr dispergiert werden zu müssen und weitgehend staubfrei zu sein.

Eine dritte, vor allem in der Kunststoffindustrie weit verbreitete, Möglichkeit besteht in der Verwendung von festen Pigmentpräparationen, sogenannten Masterbatches. Dabei werden die Pigmente bei erhöhter Verarbeitungstemperatur in eine Bindemittelmatrix einextrudiert oder geknetet. Nach dem Abkühlen werden die wieder festen Masterbatches meist granuliert, so dass sie bei der Einarbeitung in den Kunststoff exaktere und reproduzierbarere Farbtöne erzeugen. Auch Masterbatches können je nach gewünschtem Effekt mehrere Pigmente oder Füllstoffe enthalten.

Pigmentruß, Urheber: FK1954


Nomenklatur

Pigmente werden üblicherweise mit Trivialnamen, Handelsnamen oder Bezeichnungen aus dem Colour Index (C.I. Generic Name) benannt, da systematische Nomenklaturen gemäß IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) oder nach CAS (Chemical Abstracts Service) zu unhandlichen Namen führen.


Ein Beispiel

• Trivialname: Brillantgelb
• Handelsnamen: Aureolin, Benzimidazolon-Gelb
• Geschützter Handelsname: Hostaperm (TM) Yellow H4G
• C. I. Generic Name: C. I. Pigment Yellow 151
• IUPAC Name: 2-[[1-[[(2,3-Dihydro-2-oxo-1H-benzimidazol-5-yl)amino]carbonyl]-2-
   oxopropyl]azo]-benzoesäure
• CAS index name: Benzoic acid, 2-[[1-[[(2,3-dihydro-2-oxo-1H-benzimidazol-
   5-yl)amino]carbonyl]-2-oxopropyl]azo]-


Einteilung nach Eigenschaften

Pigmente mit gemeinsamen Eigenschaften werden zu Gruppen zusammengefasst, die je nach Einsatzzweck zu unterschiedlichen Gliederungen führt. Die DIN 55943 unterteilt Farbmittel zunächst in organische und anorganische Farbmittel. Jede der beiden Gruppen wird in Farbstoffe und Pigmente eingeteilt. In der nächsten Ebene folgt die Einteilung nach der optischen Wirkung. Es wird unterschieden zwischen Weißpigmenten, Buntpigmenten und -farbstoffen, Schwarzpigmenten und -farbstoffen, Effektpigmenten sowie Leuchtpigmenten und -farbstoffen. Die Gruppen Weißfarbstoffe und Effektfarbstoffe sind physikalisch nicht möglich, da die Wirkung als Pigment ausschließlich auf Streuung (Weißpigmente) beziehungsweise Reflexion (Effektpigmente) beruht. Dies setzt eine Grenzfläche voraus, die die gelösten Farbstoffe nicht besitzen.[5]

Die anorganischen Farbmittel werden nicht weiter unterteilt, da es sich um eine Norm aus dem Lackbereich handelt und dort keine anorganischen Farbmittel verwendet werden.[5]

Eine nach Farbton geordnete Aufzählung einzelner Pigmente ist unter Liste der Pigmente angegeben.


Anorganische Pigmente

Einteilung in natürliche und synthetisch hergestellte Pigmente
Bei den anorganischen Pigmenten wird zwischen natürlichen und synthetisch hergestellten Pigmenten unterschieden. Zur ersten Gruppe gehören Erden und Mineralien (Erdfarben, Mineralweiß), die zu ihrer Anwendung keiner oder nur einer mechanischen Aufbereitung (zumeist Trocknen und Mahlen) bedürfen. Zur zweiten Gruppe gehören anorganische Pigmente wie etwa Metalleffektpigmente, Ruß, Weißpigmente oder Eisenoxidpigmente, also Syntheseprodukte aus unterschiedlichen Herstellungsverfahren.

Industriell werden aufgrund der stabileren Qualität und der höheren Reinheit fast nur noch synthetisch hergestellte anorganische Pigmente hergestellt.[6]

Nicht in jedem Fall lässt sich am Material feststellen, ob es natürlicher oder künstlicher Herkunft ist. Das gilt beispielsweise für bestimmte eisenoxidhaltige Farbschichten der prähistorischen Malerei. Das darin nachweisbare rote Pigment könnte aus natürlichem Vorkommen stammen oder gezielt aus gelbem Ocker am Lagerfeuer erzeugt worden sein. Auch die Angabe Zinnober, die rote Modifikation des Quecksilbersulfids, sagt nichts über einen natürlichen Ursprung aus. Zudem war „zinnober“ im Altertum ein Synonym für rot und gleichbedeutend mit Minium, das Mennige ist, Blei(II)/(IV)-Oxid. Die in den 1940er Jahren aufkommende Untergliederung der anorganischen Pigmente in natürliche und künstliche lässt sich somit nicht auf die chemische Struktur zurückführen.


Einteilung nach chemischen Klassen
Chemisch können die industriell wichtigsten Pigmente in acht Stoffklassen eingeteilt werden. Im einzelnen sind dies Titandioxid, Ruß, Bismutpigmente, Oxide und Hydroxide, Eisencyanblau, Ultramarin, Cadmiumpigmente und Chromatpigmente.[6]

Die Gruppe der Oxide und Hydroxide wird weiter unterteilt in Eisenoxidpigmente, Chromoxid, und Mischphasenoxidpigmente (letztere mit den Untergruppen Spinellpigmente, Hämatitpigmente, Inverse Spinellpigmente und Rutilderivate). Die Gruppe der Chromatpigment unterteilt sich weiter in Chromgelb, Chromgrün und Molybdate.[6]

Ruß nimmt hierbei eine Sonderstellung ein. Ruß ist per Definition anorganisch. Es wird aufgrund der geringen Partikelgröße und der daraus resultierenden anwendungstechnischen Eigenschaften oft als organisches Pigment eingeordnet.[6]


Eigenschaften
Die meisten anorganischen Pigmente zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit dem Sauerstoff der Luft nicht chemisch reagieren, daher äußerst resistent gegen Alterung sind und ihren Farbton praktisch beliebig lange beibehalten, wobei diese jedoch durch die Alterung eines organischen Malmittels, wie etwa Öl, mit der Zeit beeinträchtigt werden kann.

Ihre hohe Hitzebeständigkeit macht den Einsatz in der Porzellanmalerei möglich. Hier können nur anorganische Pigmente eingesetzt werden, da organische Pigmente nicht temperaturstabil sind und beim Brennen zerstört werden. In der industriellen Anwendung ist eine hohe Hitzebeständigkeit für Kunststoffeinfärbung, Pulverlacke oder Coil Coating wichtig, wobei wegen tieferer Temperaturen hitzebeständige organische Pigmente eingesetzt werden können.

Frühere, heutzutage zumindest in Europa nur noch selten verwendete Pigmente wie Cadmiumsulfid, Bleichromat oder Molybdatrot sind gesundheitlich bedenklich, da es sich um Schwermetallverbindungen handelt.

Der Farbton anorganischer Buntpigmente wird häufig als trüb im Vergleich zu organischen Pigmenten beschrieben. Für Pigmente wie die Eisenoxidpigmente oder Chromoxidgrün trifft dies uneingeschränkt zu, dennoch existieren auch einige anorganische Pigmente mit einem reinen Farbton. Von den heute industriell eingesetzten Pigmenten ist dies im Wesentlichen Bismutvanadat, aber auch die heute in Verruf geratenen Pigmente Cadmiumsulfid, Bleichromat oder Molybdatrot zeigen einen brillanten Farbton bei gleichzeitig gutem Deckvermögen. Dazu kommen vergleichsweise selten eingesetzte Pigmente wie Cobaltblau oder Ultramarin.[7]


Industrielle Verwendung
Wegen ihrer industriellen Bedeutung und Verbreitung nehmen die Weißpigmente eine Sonderstellung ein. Alleine in der Papierindustrie werden in Europa weit über 10 Millionen Tonnen pro Jahr verwendet, wobei die Weißminerale mit Calciumcarbonat mit Abstand den größten Anteil haben.

Im Lackbereich ist Weiß von überragender Bedeutung. In Dispersionsfarben ist es die Basisfarbe für Tönsysteme und darüber hinaus der Hauptfarbton. Nach Wert und Produktionsmenge mit etwa 60 % aller Pigmente hat Titandioxid den weitaus größten Anteil. Weltweit wurden 2006 nahezu 4,5 Millionen Tonnen Titandioxid verbraucht. Diese Position hat das Weißpigment im Laufe der 1960er Jahre erreicht. Titanweiß verdrängte auf Grund seiner Echtheiten das Bleiweiß, dazu kommt ein starker Anstieg der Gesamteinsatzmenge in den Industriestaaten.[8]. Die leicht zugänglichen Eisenoxidpigmente folgen dem Wert nach mit 8 % und nach Produktionsmenge mit 22 % auf Rang 2 der Weltpigmentproduktion, gefolgt von Ruß mit wertmäßig 9 % und 4 % der Menge. Die anderen anorganischen und organischen Pigmente teilen sich in die verbleibende Menge. Durch das wesentlich höhere Preisniveau erreichen diese jedoch fast 30 % nach Wert.[6]

Unter den weiteren anorganischen Pigmenten sind vor allem Chrom(III)-oxid, Ultramarin, Bismutvanadat und die Gruppe der Mischphasenoxidpigmente bedeutsam.

Calciumcarbonat wird auf Grund seines Brechungsindex vorzugsweise in der Lackindustrie nicht als Pigment, sondern als Füllstoff eingesetzt.[6]


Organische Pigmente

Natürliche organische Pigmente
Organische Pigmente kommen in der Natur als „Tier-“ oder „Pflanzenfarben“ vor. Einige solcher Pigmente lassen sich einfach herstellen. Rebschwarz ist ein unvollständig verbranntes Weinholz. Manche historisch wichtige Pigmente, wie das farbkräftige Indischgelb aus Urin von Kühen, verloren ihre Exklusivität durch die breite Palette von synthetischen Pigmenten.

Die lösliche, nahezu farblose Leukoform von Indigo, das Leukoindigo oder Indigoweiß wird durch Oxidation mit Luftsauerstoff zum farbigen unlöslichen Pigment Indigo.


Synthetische organische Pigmente
Synthetischen organische Pigmente werden nach ihrem chemischen Aufbau unterteilt. Die vielfältigste und zugleich größte Gruppe sind die Azopigmente. Diese Pigmente machen über 50% der verkauften Menge organischer Pigmente aus. Die andere Gruppe wird zu den Polycyclischen Pigmenten oder umgangssprachlich auch Nichtazopigmenten zusammengefasst.[7]


Azopigmente
Azopigmente sind Pigmente, deren Eigenschaft als Chromophor im Wesentlichen durch die Delokalisierung von Elektronen ausgehend von einer Azogruppe (-N=N-) ausgeht. Azopigmente sind also Pigmente, die mindestens eine Azo-Gruppe enthalten.

Die Azopigmente werden weiter in Klassen unterteilt, deren Chemie eine grobe Aussage über die Echtheit der Pigmente erlaubt. Die tatsächliche Echtheit hängt im Wesentlichen von den verwendeten Substituenten, aber auch von der Partikelgröße ab. Es wird nach der Anzahl der enthaltenen Azo-Bindungen zwischen Monoazo- und Disazopigmenten unterschieden. Weiter wird nach den jeweiligen Substituenten unterschieden.[7]

Zu den Monoazopigmenten gehören die einfachen Monoazopigmente, wie die beta-Naphthol-Pigmente sowie die Naphthol AS-Pigmente und die verlackten Azofarbstoffe. Einige der wichtigsten heute eingesetzten organischen Pigmente gehören dieser Gruppe an, gleichzeitig ist es die älteste industriell verfügbare Gruppe. Beispiele sind C.I. Pigment Yellow 1, 3 und 74, C.I. Pigment Orange 5 oder C.I. Pigment Red 112.[7]

Ein Sonderfall sind die Benzimidazolonpigmente, die ihrerseits Monoazopigmente sind und polycyclische Substituenten besitzen. Diese führen zu einer sehr guten Wetterechtheit, so dass diese Pigmente die höchsten Echtheiten innerhalb der Azopigmente erreichen. Beispiele sind C.I. Pigment Yellow 154 oder C.I. Pigment Orange 36. [7]

Verlackte Pigmente, also mit Metallen in Salze überführte, ursprünglich lösliche Farbstoffe, finden in der Textilfärberei Anwendung. Farblacken bedeutet, dass lösliche Farbstoffe als (Färbemittel) auf der Faser durch Umsetzung mit Metallsalzen oder Tannin fixiert werden.

Zu den Disazopigmenten gehören die Diarylgelb-Pigmente (C.I. Pigment Yellow 83), die Disazo-Kondensationspigmente (C.I. Pigment Yellow 128) oder die Acetessigsäureanilid-Pigmente (C.I. Pigment Yellow 155).[7]

Azo-Metallkomplex-Pigmente sind ein Sonderfall, da sie streng genommen keine echte Azo-Gruppe enthalten.[7]


Polycyclische Pigmente
Polycyclische Pigmente sind Verbindungen, deren Eigenschaft als Chromophor durch eine Delokalisation von Elektronen über ein mehr oder weniger ausgedehntes Ringsystem erzeugt wird.

Den Hauptanteil der polycyclischen Pigmente stellen die Kupferphthalocyaninpigmente, die etwa die Hälfte der polycyclischen Pigmente ausmachen. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind die verschiedenen Typen des Phthalocyaninblaus sowie die halogenierten Typen (Phthalocyaningrün). Weitere wichtige polycyclische Pigmentklassen sind Chinacridone, Diketopyrrolopyrrol-Pigmente, Dioxazine, Perylene, Isoindoline und Inthanthrone.[7]


Weitere Gruppen
Neben diesen beiden Substanzgruppen existieren noch eine Reihe organischer Pigmente unterschiedlicher Zusammensetzung. Sie besitzen oft einen speziellen Anwendungsbereich. Aus ökonomischen Überlegungen oder Anforderungen an die Echtheit ist oft nur eine chemische Verbindung dieser Struktur als Pigment geeignet.[7] Vertreter dieser Gruppe sind verlackte Farbstoffe, die als Salze von Schwermetallen ihre Löslichkeit verloren haben und somit Pigmente sind.


Eigenschaften
Organische Pigmente unterscheiden sich von anorganischen Pigmenten meist durch die höhere Farbstärke, das geringere Deckvermögen, höhere Buntheit (Chroma) und geringere Wetterechtheit. Zudem sind organische Pigmente häufig teurer.

Organische Pigmente sind nachbehandelt, um bestimmte anwendungstechnische Eigenschaften wie die Dispergierbarkeit oder das Deckvermögen zu verbessern. Durch die Nachbehandlung wird zudem die Partikelgröße eingestellt, die verantwortlich für Echtheitsniveau, Farbstärke und die Feineinstellung der Koloristik ist.


Toxikologie
Hinsichtlich der Toxikologie von organischen Pigmenten gilt zusammenfassend, dass diese Pigmente für sich genommen aufgrund ihrer schweren Löslichkeit physiologisch gesehen als praktisch inert gelten. Gesundheitliche Bedenken ergeben sich vornehmlich aus ihrem Staubcharakter (Feinstaub). Organische Pigmente gelten als biologisch praktisch nicht abbaubar. Da Pigmente im Zwischen- oder Endprodukt unter Verwendung von Dispergiermitteln, Bindemitteln, Lösemitteln und/oder dergleichen eingesetzt werden, ist gegebenenfalls die toxikologische Wirkung dieser Stoffe zu berücksichtigen. [9] [10] [11] Toxikologisch bedenklich können Abbauprodukte von Pigmenten sein. Solche Abbauprodukte von Pigmenten treten beim Bestrahlen mit Laserlicht auf. Diese Anwendung findet statt, um Farbpigmente aus Tätowierungen zu entfernen. Bei der Spaltung des Tätowierungspigments C.I. Pigment Red 22 durch Laserlicht entsteht das giftige und krebseregende 2-Methyl-5-nitroanilin. [12]


Abgrenzung

Nicht zu den Pigmenten zählen Säure-Base-Indikatoren: Es sind Farbstoffe, deren Farbe sich mit dem pH-Wert der Lösung ändert: Sie zeigen bei Zugabe von Säuren oder Basen einen Farbumschlag (siehe unter Indikator (Chemie) und Titration). Substratfarben bestehen aus einer farbtongebenden Komponente und einem mehr oder weniger farblosen Pigment, dem Substrat. Beide Komponenten werden in einem Umwandlungsprozess wasser- und bindemittelunlöslich aneinander gebunden. In der Antike und im Mittelalter wurden meist Pflanzenfarbstoffe (Färberpflanze) auf ein weißes Substrat wie Kreide oder Bleiweiß aufgezogen; dabei wurden Beizstoffe wie Alaun und Soda zugesetzt, die die Verbindung zwischen Farbstoff und Substrat verbesserten.

Ultramarinepigment



Effektpigmente

Metalleffektpigmente
Messing und Aluminium sind mit Abstand die wichtigsten Pigmente zur Erzeugung eines Metall-Effektes. Farben erhalten durch Messingpartikel einen goldenen Anschein, während Aluminium einen silbrigen erzeugt. Früher gebräuchliche Bezeichnungen sind auch Silberbronze für Aluminiumpigmente und Goldbronze, Bleichgold, Reichbleichgold und Reichgold für Messingpigmente. Die genaue Bezeichnung war abhängig vom Farbton, also letztendlich von der Zusammensetzung der Legierung.

Der optische Eindruck ist winkelabhängig. In der Draufsicht (nahezu lotrecht) ist das heller erscheinende Metalleffektpigment zusehen, während unter einem flachen Winkel der meist dunkel eingestellten Basisfarbton zu sehen ist. Dieser Effekt wird als Flop oder Flip-Flop bezeichnet. Er wird durch die plättchenförmige Form der Teilchen erzielt. Aluminiumblättchen in einer pigmentgeeigneten Partikelgröße ergeben Silberglanz, bei nahezu kugeligen Teilchen gleicher Teilchengröße ist die Oberfläche einheitlich grau. Die Farbtiefe steht mit der Korngröße in Beziehung.

Das genaue Erscheinungsbild des Pigmentes wird im Wesentlichen von der Teilchengröße und der Regelmäßigkeit der Teilchenform bestimmt. Grobe Partikel erzeugen dabei einen glitzernden Eindruck, der als Sparkle bezeichnet wird. Feinteilige Partikel erzeugen einen sanfteren Flop, also einen weicheren Übergang bei Änderung des Betrachtungswinkels. Zur Erzielung des gewünschten Effekts werden oft beide Typen zugleich verwendet.

Da unbehandelte Aluminiumpigmente insbesondere in wässrigen Systemen und unter Bewitterungseinfluss nur mäßig stabil sind, wurden oberflächenbehandelte Marken entwickelt, die diesen Nachteil ausgleichen.


Perlglanzpigmente
Sie bestehen aus plättchenförmigen Trägersubstraten, meist natürlicher Glimmer oder sehr dünnen Glasplättchen, die in speziellen Prozessen mit einer oder mehreren äußerst dünnen und sehr gleichmäßigen Oxidschichten beschichtet werden. Die Schichten können beispielsweise aus Siliciumdioxid, Titandioxid, Eisen(III)-oxid oder Zirkoniumdioxid bestehen. Als Beschichtungsverfahren werden im wesentlichen Sol-Gel-, CVD oder PVD-Verfahren eingesetzt. Die erzeugten Schichtstärken liegen dabei im Bereich von etwa 100 nm. Beim Herstellungsverfahren ist die präzise Kontrolle der Beschichtungsstärke (auf etwa ± 3 nm) und deren Homogenität entscheidend.

Durch die geschickte Wahl des Beschichtungparameter, wobei v. a. die Brechzahl, Schichtstärke und Schichtfolge wichtig sind, können durch den Effekt der Interferenz nahezu beliebige Farben und Farbtöne realisiert werden. Unter bestimmten Bedingungen können blickwinkelabhängige Farben (Farb-Flop) erzeugt werden. Je nach Betrachtungswinkel nimmt der Betrachter einen anderen Farbton war. Diese Pigmente werden als Interferenzpigmente bezeichnet.

Im Bild ist ein mit einem Interferenzpigment beschichtetes Blech gezeigt, bei dem ein Farb-Flop von Blau nach Gold zu sehen ist. Der Effekt ist erst nach Ausrichtung der Pigmentteilchen zu sehen, wie ein Vergleich mit dem pulverförmigen Pigment beweist.

Perlglanzpigmente sind gesundheitlich unbedenklich. Sie sind von der FDA zum Einfärben von Lebensmitteln zugelassen.


Leuchtpigmente
Leuchtpigmente lassen sich in Fluoreszenzpigmente für Tagesleuchtfarben („Neonfarben“) und phosphoreszierende Stoffe für Nachleuchtfarben unterscheiden. Sie werden in sogenannten Leuchtfarben eingesetzt. Üblicherweise bestehen Fluoreszenzpigmente aus in eine Matrix eingearbeiteten Fluoreszenzfarbstoffen, die dadurch Pigmenteigenschaften erhalten. Als Nachleuchtpigmente werden dotierte anorganische Stoffe mit Phosphoreszenz genutzt. Hierzu gehören zum Beispiel die grünen Leuchtpigmente auf Zinksulfidbasis, mit denen unter Anderem Fluchtwege markiert werden.

Radioaktive Leuchtmittel sind dagegen Selbstleuchter. Sie werden daher nicht zu den Pigmenten gezählt, obwohl sie unlöslich sind.


Normen
    • EN ISO 4618 Beschichtungsstoffe: Begriffe
    • DIN 55943 Farbmittel: Begriffe
    • DIN 55944 Farbmittel: Einteilung nach koloristischen und chemischen Gesichtspunkten


Literatur
• G. Buxbaum, G. Pfaff (Hrsg.): Industrial Inorganic Pigments, 3. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2005
• DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): DIN-Taschenbuch 157: Farbmittel 2. Pigmente, Füllstoffe, Farbstoffe. Beuth Verlag GmbH, Berlin/Wien/Zürich, 3. Aufl. 1997
• W. Herbst, K. Hunger: Industrial Organic Pigments – Production, Properties, Applications. 3. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2004
• Karin Lutzenberger: Künstlerfarben im Wandel – Synthetische organische Pigmente des 20. Jahrhunderts und Möglichkeiten ihrer zerstörungsarmen, analytischen Identifizierung, Herbert Utz Verlag, München 2009, ISBN 978-3-8316-0903-1
• Gerhard Pfaff: Perlglanzpigmente, Chemie in unserer Zeit, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Januar 1997
• H. Smith (Hrsg.): High Performance Pigments. Wiley-VCH, Weinheim 2002
• Temple C. Patton (Hrsg.): Pigment Handbook in 3 Bänden. A Wiley-Interscience Publication, New York London Sydney Toronto 1993
• Kurt Wehlte: Werkstoffe und Techniken der Malerei, Otto Maier Verlag, Ravensburg 1967, ISBN 3-473-48359-1


Einzelnachweise
1. vergl. DIN 55943:2001-10 Farbmittel - Begriffe
2. F. Tragor; StoArk 02/2006, S. 52
3. Marktstudie Pigmente von Ceresana Research
4. Market Report: World Pigment Market. Acmite Market Intelligence.
5. a b DIN 55943
6. a b c d e f G. Pfaff: Industrial Inorganic Pigments. Wiley VCH
7. a b c d e f g h i W. Herbst, K. Hunger, Industrial Organic Pigments, 2nd edn., Wiley-VCH, Weinheim 1997
8. Temple C. Patton: Pigment Handbook. Volume I: Economics. John Wiley & Sons, New York
9. F. Leuschner, Toxicology Letters,2, S.253-260, 1978
10. R. Anliker, E.A. Clarke, Chemosphere, 9, S.595-609, 1980
11. W. Herbst, K. Hunger, Industrial Organic Pigments, 2nd edn., Wiley-VCH, Weinheim 1997
12. E. Engel, R. Vasold, W. Bäumler, Tätowierungspigmente im Fokus der Forschung, in Nachrichten aus der Chemie,55, S.847–849, 2007


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